Liebe Frau Zoch, wie wurden Sie auf die Aktion Sonnenschein aufmerksam?

Nicola Zoch: Wenn man ein Kind mit Förderbedarf hat, dann begegnet einem dieser Name schon sehr früh. Wir waren mit Ella im Kinderzentrum und da wurde uns immer wieder die Aktion Sonnenschein empfohlen. Also begann ich im Internet zu recherchieren und mir fiel das von Kindern und Mitarbeitern gebildete Foto „Integration“ ins Auge. So nannte man früher die Inklusion.

Das Foto sprach mich gleich an und ich informierte mich eingehend über die Arbeit der Aktion Sonnenschein und ihrer inklusiven Montessori-Schule. Vor allem das Bildungsdorfkonzept überzeugte mich sofort.

In welcher Klasse war Ella, als sie zu uns kam?

Nicola Zoch: Sie kam zur 5. Klasse an die Montessori-Schule. Während ihrer Grundschulzeit besuchte Ella eine Förderschule, die Franziskusschule in Starnberg, dabei ging sie in eine sog. „Außenklasse“ an der Andechser Grundschule. Ich hatte mich damals zwar bereits für Ella um einen Platz an der Montessori-Schule der Aktion Sonnenschein beworben, doch war zu diesem Zeitpunkt noch nichts frei. Ich bin wirklich sehr froh, dass es dann zur 5. Klasse geklappt hat. Mir war es extrem wichtig, dass Ella nicht das einzige Kind mit Förderbedarf in einer Klasse ist: Die Mischung aus inklusivem Bildungsdorfkonzept auf der einen und der A-Schiene (spezielle Klassen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, Anm. d. Redaktion) auf der anderen Seite, ist eine perfekte Mischung! Sie ermöglicht gleichzeitig Individualität und Gemeinschaft. Ella hatte in der Grundschule kaum Freunde und hier hat sich das total gewandelt. Die Kinder und Jugendlichen bilden mit den Lehrkräften eine richtige Familie.

Ella Zoch: Am Anfang war das merkwürdig für mich. Aber ich habe mich ganz schnell eingelebt und viele Freunde gefunden. Das ist so cool und ich bin ja jetzt auch schon in der Berufsschulstufe (BSS), in der Klasse BS1!

Nicola Zoch: Ich glaube auch, dass dieses Familiäre unmittelbar auf die Eltern abfärbt. Die Eltern der Aktion Sonnenschein sind viel engagierter, als wir das in den vorherigen Schulen erlebt haben.

Ihr Sohn Bela war bis voriges Jahr Schüler einer Inklusionsklasse der Aktion Sonnenschein und schloss unsere Schule mit Mittlerer Reife ab. Inwieweit haben beide Kinder von der Inklusion profitiert?

Nicola Zoch: Bela kam ebenfalls zur 5. Klasse, aber da kannten wir ja die Schule bereits durch Ella. Wir waren durch die Erfahrungen mit Ella überzeugt vom inklusiven Konzept und wünschten uns, dass Bela noch in der 4. Klasse wechselt. Doch er wollte seine alte Schule und seine Freunde damals nicht verlassen, so warteten wir diese Klassenstufe noch ab. Beide Kinder haben enorm von der Inklusion profitiert, auch Bela hat dabei viel gelernt und sich vor allem sozial sehr weiterentwickelt. Ich finde es ganz besonders toll, dass es keine Konkurrenz zwischen den Klassen einer Jahrgangsstufe gibt und dass sich die Schülerinnen und Schüler aller vier Klassen einer Jahrgangsstufe so gut kennen und schätzen.

Ella Zoch: Ich fand es auch wunderschön, als mein Bruder da war. Wir haben uns auch ganz oft in der Pause getroffen.

Ella, hast Du vielleicht mal im Mon-Theater mitgespielt oder im Monte-Chor gesungen?

Ella Zoch: Ich habe bei „Alles steht Kopf“ mitgespielt. Das Mon-Theater war ganz toll, aber mir dann doch auf Dauer zu anstrengend.

Nicola Zoch: Die Vorstellung war damals im „Schloss“ am Olympiapark. Diese Erfahrung war großartig, nicht nur wegen Ella: herausragende Schauspieler, ein tolles Skript und dann auch noch inklusiv – also für eine Schultheatergruppe wirklich unglaublich…

Ella ist sicher auch in der Heilpädagogischen Tagesstätte (HpT): Wie beurteilen Sie hier die Betreuung und die Zusammenarbeit mit der Schule?

Nicola Zoch: Gerade zu Anfang war es in der HpT echt super, danach gab es recht viele Personalwechsel. Die Pädagoginnen gaben sich aber immer sehr viel Mühe, das aufzufangen. Jetzt gibt es eine neue, sehr kompetente Leitung, die das auf die richtige Bahn gelenkt hat. Was man auf jeden Fall erwähnen muss, sind die großartigen Angebote: z.B. die Osterfahrt und die Abendunternehmungen für Jugendliche, bei denen es mal ins Kino oder zum Essen ging. Für mich waren HpT und Schule zuerst dasselbe. Das zeigt, wie nahtlos die Zusammenarbeit zwischen den beiden Einrichtungen funktioniert. Nur wenn Ella mal krank war, konnte es vorkommen, dass die HpT nachfragte, wo sie bleibt. Da merkte ich dann, dass die Kommunikation manchmal doch noch ausbaufähig ist. Übrigens finde ich auch ganz wichtig, dass das kbo-Kinderzentrum direkt nebenan ist und ein so guter Austausch mit der Schule stattfindet. Ella konnte z.B. für die logopädische Therapie mal kurz zum kbo „rübergehen“.

Ella, weißt Du schon, was Du beruflich machen möchtest?

Ella Zoch: Ich möchte Schauspielerin werden.

Nicola Zoch: Bei der Freien Bühne München/FBM e.V. gibt es einen Workshop und da kann man direkt nach der Schule ein Jahr anhängen. Wenn das nichts wird, bietet auch die Werkstatt der Lebenshilfe, wie andere Werkstätten auch, eine berufliche Orientierungshilfe an. Die beiden Stellen kooperieren übrigens auch miteinander.

Hat die BSS Ella gut auf die Zukunft vorbereitet, z.B. in Form der Berufsmesse, Exkursionen oder Hospitationen?

Nicola Zoch: Zuerst möchte ich ein Projekt erwähnen, das sich aus unserer Elternschaft gebildet hat: Eine Mutter der BSS betreibt in Bad Tölz ein inklusives Café namens „Miteinand“, bei dem die Schülerinnen und Schüler der BSS ein Praktikum machen dürfen. Ella war dort über einen Zeitraum von 3 Monaten jeden Donnerstag. Daneben gibt es ein reichhaltiges Fortbildungs-Konzept der BSS: z.B. das House-Keeping-Projekt im Zuge des Kooperationstages – dazu wurde ein Schulraum zum Hotelzimmer umgebaut und die Jugendlichen können dort alles Notwendige rund um das Hotelwesen lernen. Ella hat in der BSS u.a. Kochen und Bügeln gelernt. Auch die Berufsschulmessen waren extrem hilfreich. Auf der Messe stellten sich inklusive Cafés und Werkstätten vor. Es hätte während der BSS-Zeit sogar Einblicke in Wohneinheiten für selbstständiges bzw. betreutes Wohnen und intensives Mobilitätstraining geben sollen, aber aufgrund der Corona-Pandemie fiel das leider aus. Trotzdem ist das Netzwerk beeindruckend, die Lehrerinnen und Lehrer sind außergewöhnlich engagiert. Apropos Corona: Das Homeschooling durch Frau Lorbacher war bemerkenswert gut organisiert. In der BS-Klasse von Ella gibt es auch noch das Projekt, Nachrichten vom Wochenende am Montag der Klassengemeinschaft vorzustellen, das bringt den Jugendlichen natürlich Politik und Nachrichten viel näher.

Ella Zoch: Ich habe einige Praktika gemacht, sogar in der Corona-Zeit. Das Café in Bad Tölz ist zwar ganz furchtbar weit weg, aber es macht auch riesigen Spaß. Ich bin auch beim Café Chili in unserer Schule mit dabei. Da lernt man alles: Einkaufen, Kochen, Verkaufen, Abrechnen und danach wieder sauber machen. Und mit Musik geht das alles noch viel leichter!

Ella, gibt es besondere Momente oder Erinnerungen an die Schule bzw. HpT, die Du gerne mit uns teilen möchtest?

Ella Zoch: Oh, da muss ich kurz nachdenken, da war viel los: Es gab einen Ausflug in den Westpark, wir haben dort ein tolles Picknick gemacht. Einmal sind wir mit der HpT zum Zirkus Krone gefahren: Ich fand die Löwen, Zebras, und Pferde ganz toll, außerdem kann ich mich noch an eine Artistin auf einer hohen Stange und an die Clowns mit ihren schönen bunten Kleidern erinnern.

Wir hatten auch eine Klassenfahrt nach Südtirol, da gab es sogar einen Swimmingpool. In der Schule waren die Sommerfeste immer besonders schön und ich habe auch gerne Fußball gespielt. Einmal habe ich einen Tanzkurs gemacht, aber das war so ungewohnt mit den Jungs…

Ich bin ganz traurig, dass meine Schulzeit jetzt endet! Ich feiere im Sommer meinen 18. Geburtstag mit ein paar Schulfreunden nach, da machen wir dann eine Grillparty oder gehen ins Kino.

Nicola Zoch: Genau, das machen wir: eine Abschiedsparty von dieser ganz tollen Schulgemeinschaft!